Eugenia Mariana Tudor und die Haut der Bäume

Zwar ist Kuchl weit über die Grenzen Salzburgs als „Holzstandort“ bekannt, jedoch rücken vermehrt auch andere biogene Stoffe aus der Forst- und Landwirtschaft in den Fokus der Forschung. Eugenia Mariana Tudor, die nun erfolgreich als FH-Professorin im Studiengang tätig ist, beschäftigt sich schon lange mit alternativen nachwachsenden Rohstoffen für die post-fossile Zukunft.

Als multidisziplinäre Expertin ist Eugenia Mariana Tudor aus dem Lehr- und Forschungsalltag in Kuchl nicht mehr wegzudenken: Egal ob Holztechnologie, Werkstofflehre, Ökologie der Werkstoffe, Bioverbundmaterialien, Projektakquise oder Wissenschaftliches Arbeiten – die Liste ihrer Vorlesungsthemen und wissenschaftlichen Publikationen ist lang. Kein Wunder, denn schließlich ist sie in einer Professorenfamilie aufgewachsen und hat schon diverse Stationen in der Hochschul- und Forschungswelt hinter sich. Dass sie nun im Bereich der nachwachenden Rohstoffe tätig ist, war aber nicht von vornherein klar: Ursprünglich hat sie Feinmechanik mit Spezialisierung auf Automatisierungstechnik in ihrer Heimatstadt Braşov (deutsch „Kronstadt“) im rumänischen Siebenbürgen studiert. Anschließend übte sie verschiedene Tätigkeiten im universitären Bereich aus, war Chefredakteurin von zwei Magazinen und arbeitete in Kooperation mit dem rumänischen Bildungsministerium an der Qualitätssicherung im Bildungswesen.   

Dennoch galt ihr Interesse immer auch den biogenen Werkstoffen und Materialien. Natur und Technik zu verbinden, war für sie niemals Widerspruch, sondern eine perfekte Kombination. Ein Masterstudium der Holztechnologie und Holzwirtschaft führte sie schließlich auf den „Holzweg“, den bereits ihr Vater, als Professor für Holztransport, eingeschlagen hatte. Im Jahr 2018 folgte die Promotion an der Technischen Universität Zvolen und 2021 die Professur an der FH Salzburg. Seit mittlerweile acht Jahren ist Eugenia Tudor als Lehrbeauftragte in den Studiengängen Holztechnologie und Holzbau/Holzwirtschaft tätig. Daneben forscht sie, betreut Studierendenprojekte und ist zudem als Reviewer bei verschiedenen wissenschaftlichen Fachzeitschriften tätig. Ihre Leidenschaft gilt dabei den nachwachsenden Naturmaterialien, vor allem jenen, die bisher noch eher wenig für die stoffliche Verwendung in Frage kommen, oder erst langsam wiederentdeckt werden.

Ein Material, welches sie dabei besonders fasziniert und auch das Thema ihrer Antrittsvorlesung als FH-Professorin ist, ist Kork. Als Bestandteil der Pinnwand, vom Getränkeuntersetzer oder dem Weinkorken kennen wir die Rinde der Korkeiche zwar aus dem Haushalt, sein wahres Potenzial geht aber weit über diese Verwendungen hinaus. Schon bei den Römern, Griechen und Ägyptern war Kork wegen seiner geringen Dichte, aber dennoch hohen mechanischen Belastbarkeit und Temperaturbeständigkeit beliebt. Heutzutage findet es nicht zuletzt auch wegen seiner thermischen und akustischen Dämmeigenschaften vermehrt in den Innenausbau, wo es als Bodenbelag oder in Leichtbaumaterialien zum Einsatz kommt. Sogar die Mode hat das Material für sich entdeckt: Schuhe, Taschen und sogar Korkröcke erfreuen sich derzeit steigender Beliebtheit.

Nicht nur seine Eigenschaften, auch die Ernte von Kork an der Korkeiche, botanisch Quercus suber, ist eine Besonderheit: statt den gesamten Baum zu fällen, um an die Rinde zu gelangen, kann etwa 20 Jahre nach dem Pflanzen der Stamm geschält werden. Die jungfräuliche Rinde der ersten Schälung ist zwar qualitativ nicht für alle Zwecke geeignet, allerdings kann auch sie bereits zu Korkgranulat weiterverarbeitet werden. Alle neun Jahre wird der Schälprozess durchgeführt und ab der dritten Ernte liefert der Baum die höchste Korkqualität, die beispielsweise bei hochwertigen Weinkorken zum Einsatz kommt. Mit einem Anteil von fast 60 Prozent an der weltweiten Produktion ist Portugal dabei das wichtigste Anbaugebiet.

Nicht nur weil die Produktion von Kork umweltfreundlich in der „grünen Fabrik“ am Baum passiert, sondern auch weil so gut wie alles der Rinde verwendet und wiederverwertet werden kann, sieht Eugenia Mariana Tudor den Kork als Material für die zirkuläre Wertschöpfung hervorragend geeignet. Es gibt praktisch keinen Abfall in der Verarbeitung, sondern jeder noch so kleine Partikel kann, gesiebt in verschiedenen Fraktionen, als Granulat beleimt und gepresst werden. Dabei ist es sogar möglich ganz ohne zusätzliche Klebstoffe, die eigenen Inhaltsstoffe des Materials mit Temperatur und Druck so zu nutzen, dass sich das Korkgranulat verbindet und dauerhaft die gewünschte Form annimmt.

Nicht nur die Korkeiche hat es Eugenia Tudor angetan, auch andere Rindenmaterialien sind Teil ihrer Lehre und Forschung. So wurden in verschiedenen Projekten gemeinsam mit Studierenden Plattenwerkstoffe auf der Basis von Lärchenrinde hergestellt. Auch diese „Haut“ der Bäume ist ein Werkstoff dessen Potenzial noch nicht vollständig genutzt wird. Als Rindenmulch oder Biomassebrennstoff wird er meist niederwertig oder energetisch verwendet. Als baubiologisch unbedenkliches Plattenmaterial, welches beispielsweise mit Ton gebunden werden kann, könnte er aber im Innenausbau eingesetzt werden. Damit würde er nicht nur das Raumklima regulieren, sondern auch der Architektur eine vollkommen neue, natürliche Ästhetik bieten.

Für Eugenia Tudor ist schon lange klar, dass es am „Holzstandort Kuchl“ nicht nur um das Innere der Bäume geht, sondern dass wir verschiedenste Arten von lignocellulosehaltigen Pflanzenteilen effizienter und besser nutzen sollten. Dazu gehören ihrer Meinung nach besonders die organischen Reststoffe, die wir bisher eher als Abfall betrachten. Zum Beispiel Miscanthus (auch Chinaschilf oder Elefantengras), Biertreber als Abfallprodukt aus dem Brauwesen oder sogar Kakaoschalen. Statt sie verrotten zu lassen, können sie im Sinne der biobasierten Kreislaufwirtschaft wieder neuen Verwendungen zugeführt werden. „Ich denke, dass wir heutzutage oft zu verwöhnt sind und dadurch sehr verschwenderisch mit Rohstoffen umgehen. Wir sollten auch an künftige Generationen denken und durch eine effizientere und intelligentere Nutzung von Ressourcen unsere Umwelt schonen. So sichern wir nicht nur unsere künftigen Lebensgrundlagen, sondern entdecken und nutzen auch die Genialität der Natur.“

Optimistisch sieht sie die junge Generation von Studierenden, die schon weitaus sensibler für Themen wie Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind als andere Generationen: „Junge Menschen bringen zum einen schon Wissen über die globalen Herausforderungen mit. Zum anderen scheinen sie mehr Bereitschaft zum Recyceln und Wiederverwerten zu haben und legen einen gewissen materiellen Minimalismus an den Tag.“ Diese Sensibilität sei notwendig, wenn man sich mit nachwachsenden Ressourcen beschäftigen will. Ebenso wichtig sei aber eine profunde Ausbildung, die das entsprechende Handwerkszeug und die wissenschaftliche Methodenkenntnis vermittelt. Am Standort Kuchl ist Eugenia Tudor als fester Bestandteil für diese Ausbildung mitverantwortlich und schafft es, die Begeisterung für die Intelligenz der Natur und die Möglichkeiten der Technik miteinander zu verbinden.

Zur Liste ihrer Publikationen auf ResearchGate: https://www.researchgate.net/profile/Eugenia-Tudor