Aktuelles
31. Mai 2022

Cradical Solutions Tagung

Am 14. Mai 2022 fand die erste Cradical Solutions Tagung zu kritischer und radikaler Sozialer Arbeit im Haus Elisabeth statt. Organisiert wurde diese von Mitglieder*innen des Stammtisches „Cradical Solutions - Kritische und Radikale Soziale Arbeit Salzburg“, der von Alumni des Studiengangs Soziale Arbeit der FH Salzburg gegründet wurde. Ziel der Gruppe ist es, sich kritisch mit aktuellen gesellschaftspolitischen Themen der Sozialen Arbeit auseinanderzusetzten und diese auch nach außen zu transportieren, um dadurch den gesellschaftlichen Wandel hin zu einer gerechteren Gesellschaft zu unterstützen.

Daniela Molzbicher (re.), Senior Lecturer am Studiengang Soziale Arbeit nahm an der ersten "Cradical Solutions Tagung" teil, die von Absolent*innen des Studiengangs organisiert wurde.
Daniela Molzbicher (re.), Senior Lecturer am Studiengang Soziale Arbeit nahm an der ersten "Cradical Solutions Tagung" teil, die von Absolent*innen des Studiengangs organisiert wurde.

Themenschwerpunkte der Tagung

Den rund 70 Teilnehmenden der Tagung wurden unterschiedliche Möglichkeiten geboten, um sich mit verschiedenen Themen der Sozialen Arbeit auseinanderzusetzten und damit verbundene Strukturen kritisch zu hinterfragen. In einem ersten Key Note-Vortrag referierte die Nepalesin Radha Paudel über die Ausgrenzung und Unterdrückung von menstruierenden Frauen in verschiedenen Gesellschaften und zeigte diesbezügliche auch Handlungsmöglichkeiten der Sozialen Arbeit auf. Diese beziehen sich beispielsweise auf die Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession und das Empowern von Menschen, was wiederum essentiell für eine starke und lebenswerte Gesellschaft ist. Zudem führte sie dem Publikum vor Augen, wie sehr das Thema Menstruation grundsätzlich noch ein Tabuthema ist.

Anschließen boten vier verschiedenen Workshops die Möglichkeit, sich vertiefend mit aktuellen Themen der Sozialen Arbeit auseinandersetzen. Die vier Workshops „Freiheit, Gleichheit, Solidarität – Wieso eigentlich nicht? Einführung in die Radikale Soziale Arbeit“, „Zivilgesellschaftliches Engagement – Möglichkeiten und Grenzen“, „Öko-Soziale Arbeit. Vom theoretischen Konzept zur praktischen Umsetzung“ und „Medien und Empowerment am Beispiel freier Radios“ boten nicht nur einen Einblick in die jeweilige Thematik, sondern auch ausreichend Platz für Diskussionen, kollegialen Austausch und Ideenentwicklung.

Verknüpfung von Klima- und Sozialpolitik gefordert

Im Anschluss an die Workshops sprach der Sozialökonom Ernest Aigner in einem weiteren Key Note-Vortrag über klimasoziale Politik und die Gestaltung einer gerechten und emissionsfreien Gesellschaft. Auch innerhalb dieses Vortrages wurden die Verknüpfungen zur Profession der Sozialen Arbeit sichtbar, da Themenstellungen wie etwa Geschlechtergerechtigkeit, Armut oder Migration ebenfalls mit Klimapolitik verknüpft sind. Aigner wies in seinem Vortrag daher auch auf die Möglichkeiten einer „grünen Sozialen Arbeit“ und die Notwendigkeit einer klimasozialen Politik hin. Gegenwärtige Klimanarrative hingegen, beschäftigen sich häufig mit den Folgen oder Vorteilen von technischen Innovationen und berücksichtigen den sozialen Fortschritt beziehungsweise den notwendigen sozialen Wandel kaum.

Obwohl die reichsten 10% der Weltbevölkerung für 46% des CO2-Ausstoßes verantwortlich sind, führt die aktuelle Klimapolitik häufig zu einer Verschärfung von sozialen Ungleichheiten. Dies begründet sich insbesondere in Zielkonflikten, da die wirtschaftliche Dimension im Fokus steht. Für eine nachhaltige ökologische Entwicklung und Klimagerechtigkeit bedarf es aber auch der Berücksichtigung der sozialen Dimension von Nachhaltigkeit. Im aktuellen Diskurs wird diese aber vorrangig instrumentalisiert, um vom eigentlichen Zielkonflikt abzulenken. Da aber die Deckung der Grundbedürfnisse aller Menschen nicht verhandelbar ist und die Bereitstellung der dafür nötigen Ressourcen Aufgabe des Sozialstaates ist, muss eine gute soziale Absicherung ebenso wie eine nachhaltige Klimapolitik wachstumsunabhängig sein.

Daher wurde im Vortrag auf die Notwendigkeit einer Verknüpfung von Klima- und Sozialpolitik und dafür nötige Ansatzpunkte hingewiesen. Da der Klimawandel sowohl Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen als auch auf die Wasser- und Lebensmittelversorgung hat, sind insbesondere Armutsbetroffene der Krise überproportional ausgesetzt. Daher ist es nötig, die Klimakrise als soziales Risiko anzuerkennen und entsprechend zu handeln. So können etwa Sozialleistungen Klimagerechtigkeit schaffen und Strukturreformen beziehungsweise ein gezielter sozialer Ausgleich bei allen klimapolitischen Maßnahmen zu mehr Verteilungsgerechtigkeit führen. Da Menschen von einem funktionierenden Ökosystem abhängig sind und stabile Gesellschaften menschenfreundliche Orte benötigen, ergeben sich hieraus auch notwendige Handlungsansetzte für die Soziale Arbeit. Wird Umweltgerechtigkeit als Teil einer „grünen“ Sozialarbeit wahrgenommen, beinhaltet dies daher sowohl die Durchsetzung von sozialen als auch von ökologischen Rechten (vgl. Aigner 2022).

Resümee

Insgesamt konnte festgestellt werden, dass die Themenschwerpunkte der Tagung hohe Relevanz und Aktualität aufweisen. Zudem scheint ein Systemwandel dringend nötig, um sowohl aktuelle Krisen, wie etwa den Klimawandel, zukunftsorientiert begegnen zu können als auch weiterhin eine stabile und zukunftsfähige Gesellschaft zu erhalten. Da Soziale Arbeit auch eine politische Haltung vertritt und die Tagung sehr positive Resonanz beim Publikum fand, möchte der „Cradical Solutions“ Stammtisch weitere Möglichkeiten zur Reflexion und Diskussion für alle Interessierten schaffen. Bei Interesse am Stammtisch und/oder weiteren Veranstaltungen kontaktieren Sie daher gerne: cradicalsolutions@gmail.com

Was ist Kritische und radikale Soziale Arbeit

Die Ansätze und Ideen einer radikalen Sozialen Arbeit sind in den späten 60er und frühen 70er Jahren durch eine Gruppe von Sozialarbeiter*innen entstanden, welche die Folgen von Armut und Ungleichheit auf das Leben ihrer Klient*innen analysierten. Die Grundidee bezieht sich darauf, dass Soziale Arbeit mehr als die Hilfe zur Anpassung an eine ungleiche und unterdrückende Gesellschaft ist. Daher geht es bei kritischer und radikaler Sozialer Arbeit, um das Hinterfragen von unterdrückenden Strukturen und ungleichen Machtverhältnissen, sowie um eine nicht unterdrückende Form der Hilfe, um die Selbstwirksamkeit von Menschen zu stärken (vgl. Ferguson/ Woodward 2009: 2-30).

Auch kritische Soziale Arbeit hinterfragt gesellschaftliche Machtstrukturen und will mehr soziale Gerechtigkeit für unterdrückte und marginalisierte Gruppen herstellen. Dazu werden dominante und als selbstverständlich wahrgenommene Annahmen innerhalb einer Gesellschaft analysiert, um auf unterdrückende Strukturen aufmerksam zu machen, wodurch der soziale Wandel unterstützt werden soll. Die Ansätze einer kritischen Sozialen Arbeit beinhalten daher auch anti-rassistische, feministische, menschenrechtsbasierte und radikale Soziale Arbeit (vgl. Pease u.a. 2016: 5). Da sich der „Cradical Solutions“ Stammtisch diesen Ansätzen verschrieben hat, wurden die Themenschwerpunkte der Tagung vor ebendiesem Hintergrund ausgewählt.

Literaturtipps:

Aigner, Ernest (2022) Vortrag “Klimasoziale Politik“, 1. Cradical Solutions Tagung. Salzburg

Ferguson, Ian/ Woodward, Rona (2009) Radical social work in practice. Making a difference. Bristol

Paudel, Radha (2022) Vortrag “Dignified Menstruation in a Global Discourse”, 1. Cradical Solutions Tagung. Salzburg

Pease, Bob/ Goldingy, Sophie/ Hosken, Norah/ Nipperess, Sharlene (2016) Doing Critical Social Work. Transformative Practices for Social Justice. Brisbane