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27. Mai 2022

Ubuntu: Was würde Mandela tun?

Die Konfliktforscherin Daniela Molzbichler, FH Salzburg, und der Afrikanist Martin Sturmer, afrika.info, beschreiben in ihrem neuen Buch „Ubuntu: Mandela für Führungskräfte“ das große Potenzial der Philosophie für die Gewährleistung von sozialer Harmonie und geben praktische Tipps für ihre Umsetzung. Am Donnerstag 2. Juni stellen die Autor*innen ihr Buch im Afro-Asiatischen Institut (AAI) in Salzburg vor.

Die Nelson-Mandela-Statue vor den Union Buildings, dem Sitz der südafrikanischen Regierung in Pretoria (Bild: Flickr/Francisco Anzola)
Die Nelson-Mandela-Statue vor den Union Buildings, dem Sitz der südafrikanischen Regierung in Pretoria (Bild: Flickr/Francisco Anzola)

Der Großteil der Bevölkerung nimmt eine Polarisierung der Gesellschaft wahr. Die teils hitzigen Diskussionen um Corona-Bestimmungen, Klimaschutz oder den Krieg in der Ukraine stellen Bruchlinien dar, die zu einseitigem Lagerdenken führen. Was können politische Verantwortungsträger*innen tun, um die Brüche zu heilen und die soziale Harmonie zu fördern?

Antworten auf diese Frage bietet die südafrikanische Lebensphilosophie Ubuntu, die in Südafrika einen wesentlichen Beitrag zum versöhnlichen Übergang vom grausamen Apartheid-Regime zur demokratischen Regenbogennation geleistet hat.

Ubuntu ist Mandelas größtes Vermächtnis

Den roten Faden im Buch von Daniela Molzbicher und Martin Sturmer bildet dabei das Leben und Wirken von Nelson Mandela (1918 – 2013).

„Mandela war eine herausragende Führungspersönlichkeit, die bereits zu Lebzeiten in allen Teilen der Welt höchstes Ansehen genoss“, sagt Martin Sturmer. „Sein Führungsverständnis war tief in Ubuntu verwurzelt. Für den ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama ist Ubuntu sogar Mandelas größtes Vermächtnis.“

Was zeichnet die südafrikanische Lebensphilosophie nun aus? Ubuntu stellt die Verbundenheit aller Menschen in den Mittelpunkt. Am besten erfassbar wird sie durch den Leitsatz „Ich bin, weil wir sind“, der einen entscheidenden Kontrapunkt zur europäischen Tradition von „Cogito, ergo sum - Ich denke, also bin ich“ darstellt. Kernwerte wie Güte, Empathie und Respekt sorgen in Ubuntu dafür, dass das Gemeinwohl über individuelle Interessen gestellt wird.

Menschen können sich ändern

Allerdings: Beim jungen Mandela war von Ubuntu noch wenig zu erkennen. Der spätere Friedensnobelpreisträger, der ab 1952 in Johannesburg eine Anwaltskanzlei betrieb, wurde von Wegbegleiter*innen als emotional, empfindlich und jähzornig beschrieben. Doch die weitere Biografie von Mandela zeigt eindrucksvoll, dass sich Menschen ändern können. „27 Jahre oder exakt 10.052 Tage im Gefängnis haben Nelson Mandela zu einer herausragenden politischen Führungspersönlichkeit reifen lassen“, sagt Sturmer. „Von Empfindlichkeit und Jähzornigkeit fehlte war nichts mehr zu sehen. Durch seine Dialogbereitschaft, Güte und Bescheidenheit wurde er zum Vorbild für Entscheidungträger*innen rund um den Globus.“

Mit Andersdenkenden zusammenarbeiten

In seiner Rolle als Staatspräsident besann sich Mandela auf Ubuntu. Er versuchte, alle Meinungen zu hören und Gegenpositionen zu verstehen. Seine Entscheidungen stellten oft den Konsens unterschiedlicher Sichtweisen dar. Populistisches Schwarz-Weiß-Denken war ihm fremd. Schwierige Fragen wollte er nicht mit einem einfachen „Ja“ oder „Nein“ beantworten – seine Antwort lautet häufig „Sowohl – als auch“.

Die Zusammenarbeit mit Andersdenkenden war für Mandela der Schlüssel zum Miteinander: „Um mit einem Gegner Frieden zu schließen, muss man mit ihm zusammenarbeiten, und der Gegner wird dein Freund“, war Mandela überzeugt.

Bestes Beispiel dafür war der politische Transformationsprozess in Südafrika: Nachdem der ANC am 27. April 1994 die ersten demokratischen Wahlen in Südafrika mit absoluter Mehrheit gewonnen hatte, hätte Mandela eine Alleinregierung bilden können. Er entschied sich jedoch für eine „Regierung der nationalen Einheit“, der auch Minister der zuvor regierenden „Nasionale Party“ sowie der „Inkatha Freedom Party“ (IFP) angehörten. Sein Amtsvorgänger Frederik Willem de Klerk wurde zweiter Vizepräsident, IFP-Vorsitzender Mangosuthu Buthelezi Innenminister.

Konfliktlösung mit Indaba

Ihre ganze Stärke entfaltet Ubuntu in der Lösung von Konflikten. Die Wahrheits- und Versöhnungskommission, die von 1996 bis 1998 tagte und unter der Leitung des kürzlich verstorbenen Erzbischofs Desmond Tutu stand, war ein Meilenstein für politische und gesellschaftliche Entwicklung des Landes.

„Die Grundzüge der Kommission basierten auf dem traditionellen Streitschlichtungsverfahren Indaba, bei dem es in erster Linie um die Sicherstellung der sozialen Harmonie und nicht um die Bestrafung der Täter*innen geht“, erklärt Daniela Molzbichler. Dabei seien die Anerkennung der Schuld, das Zeigen von Reue, die Bitte um Vergebung und das Finden eines Ausgleichs die entscheidenden Schritte auf dem Weg zur Versöhnung, so Molzbichler weiter.

Buchpräsentation am 2. Juni am AAI Salzburg

„Ubuntu: Mandela für Führungskräfte“ ist im Verlag Springer Gabler in Wiesbaden in der Reihe „essentials“ erschienen. Zielgruppe für das kurze, 50-seitige Buch sind Entscheidungsträger*innen in Unternehmen, Organisationen und Politik. Die Buchpräsentation findet am 2. Juni um 10:00 Uhr am Afro-Asiatischen Institut (AAI) in Salzburg statt. Anmeldungen: 0662 841413-13 bzw. office@aai-salzburg.at.   

Über die Autor*innen

Dr. in Daniela Molzbichler (Salzburg) ist Politikwissenschaftlerin und beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren mit Konfliktmanagement. Sie ist Vorstandsmitglied im Friedensbüro Salzburg und Fachbereichsleiterin für Politik, Recht und Gesellschaft in den Studiengängen Soziale Arbeit und Soziale Innovation an der Fachhochschule Salzburg.

Dr. Martin Sturmer (Oberndorf bei Salzburg) ist Afrikanist und Gründer der Unternehmensberatung afrika.info. Sturmer hat mehrere Bücher zu Medien- und Kommunikationsthemen veröffentlicht und unterrichtet an der Universität Salzburg sowie an der Fachhochschule Salzburg.